Die seit 1952 bestehende Kunst-am-Bau-Regelung wurde 1973 durch einen Bremer Senatsbeschluss von einem breit angelegten „Kunst im öffentlichen Raum“-Programm abgelöst. Mit dem Senatsbeschluss (Drucksache Nr. 8/288 „Kunst im öffentlichen Raum“) war Bremen bundesweit Vorreiter auf diesem Gebiet und formulierte als erste Stadt (noch vor Hamburg und Münster, die wie viele andere deutsche Städte später nachzogen) ein kommunales Förderprogramm, das bis heute existent ist. Die damit verbundene Änderung der Zuständigkeit vom Senator für Bau zum Senator für Kultur sowie die feste Etablierung einer Fachstelle für Kunst im öffentlichen Raum im Referat 12, der alle fachlichen und organisatorischen Aufgaben übertragen wurden, sind historisch daraus hervorgegangen. Darüber hinaus wurde ein Landesbeirat gegründet, der seit 1974 jeweils für eine Legislaturperiode berufen wird, sich aus überregionalen und Bremer Kunstsachverständigen, Vertreter:innen der Künstlerschaft und Zugehörigen der Deputation für Kultur zusammensetzt und für alle grundsätzlichen Fragen der Kunst im öffentlichen Raum dem Senator für Kultur beratend zur Seite steht.

Fortan galt es in Bremen, neue und andere Orte im öffentlichen Raum (wie öffentliche Plätze, Straßenräume, Grünanlagen, Brücken und das Äußere und Innere von öffentlichen Gebäuden) mit Kunst zu bespielen; sei es temporär oder auch dauerhaft. Allgemeines Credo war es von Anfang an, dass die Kunst dorthin gehen sollte, wo die Menschen leben: nämlich in den Wohnquartieren und in den unterschiedlichen Stadtteilen. Man versprach sich, dadurch breitere Gesellschaftsschichten anzusprechen und für Kunst zu begeistern. Interaktion und Partizipation wurden nicht zuletzt auch deshalb hochgeschrieben, ebenso wie die produktive Zusammenarbeit von Künstler:innen und Laien. Der räumliche Bezug wurde dabei nicht nur – wie bereits in der Moderne üblich – auf formaler (architektonischer und funktionaler), sondern vor allem auch auf inhaltlicher (historischer, soziologischer und politischer) Ebene hergestellt. Denn der Raum wurde von den Künstler:innen (ähnlich wie zeitgleich von Kulturphilosophen wie Michel Foucault, Henri Lefebvre, Gaston Bachelard u.v.a.) im Grunde als ein sozial konstruierter, kulturell verhandelbarer und historisch besetzter erkannt.

Wie vielfältig die künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum in den letzten fünf Jahrzehnten ausgefallen sind und immer noch ausfallen, wird auf dieser Homepage sichtbar: Temporäre Kunstaktionen und künstlerische Raumbefragungen sind hier ebenso dokumentiert wie ortsspezifische Skulpturen und künstlerische Positionen, die von Anfang an dauerhaft im öffentlichen Raum platziert werden sollten. Die Diskussionen darüber, welche Funktion Kunst im öffentlichen Raum generell zukommt sowie was diese im Speziellen bewirken kann und soll und wie effektiv die künstlerischen Interventionen im Stadtraum sein können, ist dabei durchgängig und immer wieder unterschiedlich heftig und intensiv geführt worden. Zahlreiche Publikationen, die in den letzten Jahrzehnten nicht selten mit der Unterstützung von der Freien Hansestadt Bremen entstanden sind, legen von diesen kontroversen Debatten und lebhaften Diskussionen ein eindrückliches Zeugnis ab. De facto werden diese Fragen von den jeweiligen Kunstwerken im öffentlichen Raum stets immer wieder neu und anders beantwortet, nicht selten ist weniger die finale Beantwortung als vielmehr das Aufwerfen von Problemstellungen integraler Bestandteil von diesen.

In den letzten fünf Jahrzehnten sind dabei immer wieder neue Schwerpunkte bei der Ausgestaltung von Kunst im öffentlichen Raum in Bremen gesetzt worden, um sich den allgemeinen politischen Diskussionen und sich verändernden Gegebenheiten im Stadtraum anzupassen. So übernahm seit 1981 bis 2016 auf Beschluss des Bremer Senats die „Stiftung Wohnliche Stadt Bremen“ maßgeblich die Finanzierung des Bremer Programms „Kunst im öffentlichen Raum“, um auf strukturelle Probleme in einzelnen Stadtteilen mit künstlerischen Ansätzen passgenauer reagieren zu können. Die Mittel der „Stiftung Wohnliche Stadt“ wurden damals nicht als Globalsumme zur Verfügung gestellt, sondern konnten vielmehr für einzelne Maßnahmen gesondert beantragt werden. Mit der Auflösung der Stiftung Wohnliche Stadt im Jahr 2016 galt es Kunst im öffentlichen Raum durch gezielte Projekte und spezifische Programme neu aufzustellen und zu denken. Zuletzt hat der Bremer Senat 2017 auf dem Hintergrund der zunehmenden Unzufriedenheit mit dem Erscheinungsbild des öffentlichen Raums „Handlungsfelder für eine saubere und sichere Stadt“ definiert und dafür finanzielle Mittel in Höhe von 450.000 Euro zur Verfügung gestellt. Im Rahmen dieses Programms sind von 2017 bis 2020 vom Senator für Kultur neun Standorte durch Wettbewerbsverfahren auf neue und kreative Weise gestaltet worden. Ein letzter Standort soll in diesem Rahmen im Jahr 2022 realisiert werden.

Die Zukunft

Spannend bleibt, was in Zukunft die Antworten, aber auch die neuen Fragestellungen der Kunst im öffentlichen Raum sein werden. Die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums, ebenso wie der vereinzelt zu beobachtende Hang Kunst im öffentlichen Raum verstärkt zum weichen Standortfaktor allein für Stadtmarketing-Zwecke machen zu wollen und damit der Kunst vermeintlich ihren „Biss“ zu nehmen oder auch die derzeit massiv zu beobachtenden drastischen Veränderungen der Innenstädte, stellt die heutigen Künstler:innen vor neue Herausforderungen, auf die es mit den Mitteln der Kunst zu reagieren gilt. Neue Denkmuster und Herangehensweisen rund um Public Art werden entstehen. Der künstlerische Außenraum untersteht einem Veränderungsprozess, auch hier werden hybride Kunstwerke und neue Formate das Stadtbild zukünftig vermehrt bereichern und zur Interaktion einladen Opens external link in new windowsiehe LauschOrte. Ein neues Bewusstsein zur kollektiven Zusammenarbeit zwischen Künstler:innen, Architekt:innen, Stadtplaner:innen und Bevölkerung künstlerische Orte und Vorhaben gemeinsam zu formulieren und unter gesellschaftspolitischen Aspekten zu realisieren, wird dabei ein Schwerpunkt sein. Kunst und Öffentlichkeit interagieren stets in engem Verhältnis. Verschiebungen, soziale Kohäsion, Leerräume in Innenstädten und ein Wachstum der Großstädte wird neue Fragen an die Kunst stellen. Diesen aktuellen Trends und Herausforderung muss sich die Kulturverwaltung in enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung und weiteren Ressorts stellen.

 

LauschOrte

Das hybride Projekt „LauschOrte“, das vom Kammerensemble Konsonanz und dem Bremer Literaturkontor e.V. im Zuge des Innenstadt-Aktionsprogramms „Bremen wird neu“ 2021 zunächst mit sieben LauschOrten realisiert worden ist, lotet verschiedene bekannte und auch weniger bekannte, öffentlich zugängliche Orte in der Bremer Innenstadt über gesprochene Sprache und Musik künstlerisch neu aus. Unter der Prämisse „Kunst kann und ist überall“ setzen sich kurze Texte von renommierten Bremer Autor:innen mit historisch relevanten und stark debattierten Orten in der Innenstadt literarisch auf witzige, nachdenkliche oder auch hoch-reflektierende Weise auseinander. Die LauschOrte schaffen auf diese Weise neue Perspektiven, interessante Neu-Rahmungen und wecken die Neugier auf die Geschichte, die hinter dem jeweiligen Ort bzw. der jeweiligen Statue steht. Künstlerische Narrative und Perspektiven verknüpfen sich mit historischen Fakten und ermöglichen dadurch eine multiperspektivische, zeitgemäße und innovative Wissensvermittlung. Im Idealfall regen die LauschOrte die Entdeckerlust und den kritischen Geist weiter an, wecken die Neugier auf die Stadt und das Interesse, sich noch intensiver mit den Orten und ihrer komplexen Historie zu beschäftigen.

Die LauschOrte wollen mit einer neuen Perspektive von der reichhaltigen Geschichte einer über 1.000 Jahre alten Hansestadt erzählen und diese neu und anders erlebbar machen – für interessierte Bremer:innen ebenso wie für neugierige Tourist:innen, die Lust haben auf eine musikalische LiteraTour durch die City, in der sich historische Objekte/Statuen genauso wie literarische und musikalische Stimmen entdecken lassen. Zugleich möchte das Projekt gezielt mit Bremer Autor:innen, Schauspieler:innen, Musiker:innen und Übersetzer:innen arbeiten, um die Freie Szene Bremens zu unterstützen und im öffentlichen Raum deutlich sichtbarer zu machen.

Die Bremer LauschOrte funktionieren dabei wie eine Art digitaler Stationslauf: An den einzelnen Orten kann man über ein Schild mit QR-Code die dazu eingespielte Audio-Datei über eine extra für das Projekt programmierte Webseite über das eigene Smartphone abspielen. Diese Audio-Datei ist vorher mit dem entsprechenden Inhalt (Text und Musik) professionell im Sendesaal Bremen aufgenommen worden. Darüber hinaus werden über die Webseite, die von der jungen, preisgekrönten Bremer Agentur aheads gestaltet worden ist, weitere Informationen zu den Orten verlinkt. Die Audio-Dateien lassen sich zudem bequem von zu Hause aus auf dem Sofa anhören. Mehr Informationen zu den einzelnen Stationen sowie zum Projekt LauschOrte generell, das in den nächsten Jahren laufend um weitere Stationen ergänzt werden soll, finden Sie unter: Opens external link in new windowwww.lauschorte.de

https://lauschorte.de/projekt/

Das Erinnern

Darüber hinaus kommt durch einen immer stärker werdenden Antisemitismus und den postkolonialen Debatten, die derzeit unter Historiker:innen und Kunstwissenschaftler:innen gleichermaßen, aber auch in der Politik kontrovers geführt werden, den Erinnerungsdiskursen eine immer zentralere Rolle zu. Alte Denkmäler und Monumente rücken in ein kritisches Licht und werden vereinzelt durch kluge Gegendenkmäler neu gerahmt und umgewidmet. Mahnmale und Erinnerungsorte werden dabei noch einmal mehr als wichtige Orte einer demokratischen Gesellschaft erkannt, die nichts desto trotz kulturell immer auch von einer bestimmten Zeitepoche geprägt worden sind und dementsprechend immer wieder mit neuem Leben gefüllt werden müssen.

Die Aufgaben des Fachbereichs für Kunst im öffentlichen Raum beim Senator für Kultur ist damit nicht nur äußerst vielfältig und breit geblieben, sondern in den letzten Jahrzehnten auch deutlich gewachsen. So ist eine stetig steigende Verantwortung für die Instandhaltung all der bislang entstandenen Kunstwerke, die im öffentlichen Raum permanent den schwankenden Witterungen und Jahreszeiten ausgesetzt sind und immer älter und damit auch restaurierungsbedürftiger werden, maßgeblich hinzugekommen. Wie schon jetzt gilt es auch in Zukunft im engen Austausch mit den anderen involvierten Ressorts, wie beispielsweise mit der senatorischen Behörde für Klima, Umwelt und Mobilität, Stadtgrün, dem Amt für Straßen und Verkehr sowie dem Sozial- und Wirtschaftsressort, dem Landesamt für Denkmalpflege, den Stadteilbeirät:innen, privaten Initiativen u.v.m. einvernehmliche Lösungen zum Wohle und Erhalt der Kunst im öffentlichen Raum im Bremer (Innen-)Stadtgebiet zu finden.

Grundsatzbeschlüsse

Die Bremische Bürgerschaft (Land) beschloss auf ihrer 30. Sitzung am 9.5.1973 auf Antrag der SPD Fraktion vom 19.3.1973 einstimmig die Drucksache Nr. 8/288 „Kunst im öffentlichen Raum“ und löste damit die Kunst am Bau-Regelung von 1952 ab. Die Bremische Bürgerschaft (Stadt) beschloss ebenfalls auf ihrer 20. Sitzung am 7.6.1973 einstimmig diesen Sachverhalt mit der Drucksache 8/202 „Kunst im öffentlichen Raum“:

  • 1,5 % der Kosten von öffentlichen Baumaßnahmen sollen für die künstlerische Gestaltung öffentlicher Räume verwendet werden.
  • Es ist eine besondere Haushaltsstelle „Kunst im öffentlichen Raum“ einzurichten.
  • Die Zuständigkeit für Kunst im öffentlichen Raum wird vom Senator für Bau zum Senator für Kultur überführt.

Die zuständige Deputation für Wissenschaft und Kunst beschloss am 29.1.1974:

  • Die Gestaltungsaufgaben der Kunst im öffentlichen Raum beziehen sich auf öffentliche Plätze, Straßenräume, Grünanlagen, Brücken und auf das Äußere und Innere von öffentlichen Gebäuden.
  • Öffentliche Plätze und öffentliche Innenräume können für zeitlich begrenzte Projekte genutzt werden.
  • Einen Landesbeirat für alle grundsätzlichen Fragen der Kunst im öffentlichen Raum, der aus überregionalen und Bremer Kunstsachverständigen, Vertretern der Künstlerschaft und Vertretern der Deputation für Kultur besteht
  • Der Landesbeirat wird jeweils für eine Legislaturperiode berufen.
  • Ergänzende projektbezogene Nutzer- bzw. Beratergruppen in den Stadtteilen
  • Ein Referat „Kunst im öffentlichen Raum“ beim Senator für Kultur, dem alle fachlichen und organisatorischen Aufgaben übertragen werden

Verfahren

Der zuständige Fachbereich für Kunst im öffentlichen Raum beim Senator für Kultur hat die Aufgabe, strategische Verfahren zu entwickeln, die den Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum regeln sowie eine Neuplanung von Vorhaben konzeptionell und finanziell planbar macht. Dies geschieht in enger Abstimmung mit den Künstler:innen, Ortsamtsbeirät:innen, privaten Initiativen und mit den zuständigen Fachbehörden.

Landesbeirat für Kunst im öffentlichen Raum Bremen

Der Landesbeirat für Kunst im öffentlichen Raum berät das für „Kunst im öffentlichen Raum“ zuständige Ressort in allen grundsätzlichen Fragen und beschließt in Form von Empfehlungen.

Folgende Fragestellungen werden dabei u.a. diskutiert:

  • An welchen Orten Kunst im öffentlichen Raum vorzusehen ist
  • Priorisierung einzelner Maßnahmen
  • Beratung zur Festsetzung der Höhe der finanziellen Mittel für die einzelnen Maßnahmen
  • Empfehlung zur Wahl des künstlerischen Wettbewerbs (offener, eingeschränkter Wettbewerb oder Direktauftrag)
  • Vorschläge zur Zusammensetzung der jeweiligen Fachjury, die die künstlerischen Entwürfe bewertet
  • Die Fachjury besteht aus Kunstsachverständigen (Fachpreisrichter:innen) und aus Vertreter:innen der Ortsamtsbeirät:innen, der Nutzer:innen- bzw. Berater:innengruppen im Stadtteil und der beteiligten Fachbehörden (Sachpreisrichter:innen). Die Kunstsachverständigen sind in einer qualifizierenden Mehrheit.

Mitglieder des Landesbeirates

Fachjurys

Die jeweilige unabhängige Fachjury aus Fach- und Sachpreisrichter:innen entscheidet über die einzelnen Wettbewerbe. Sie gibt die Entscheidung als Empfehlung an den Senator für Kultur, der diese wiederum den zuständigen Ortsamtsbeirät:innen vorstellt. Die Ortsamtsbeirät:innen sind von den Bewohner:innen eines Stadtteils gewählte Organe der kommunalen Verfassung Bremens.

Die zuständigen Mitglieder der Ortsämter nehmen zu der Entscheidung der unabhängigen Fachjury Stellung. Weicht diese Stellungnahme von der Empfehlung der Jury ab, so gilt „Die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Beirät:innen und Ortsämter mit dem Senator für Kultur in kulturellen Angelegenheiten vom 4.10.2000.“ Der Senator für Kultur entscheidet das weitere Verfahren.

Der Fachbereich für Bildende Kunst und Kunst im öffentlichen Raum begleitet das Jury-Verfahren und setzt die beschlossenen künstlerischen Maßnahmen in Absprache mit den jeweiligen Künstler:innen organisatorisch um.